Die in den Studien genannten Zahlen werfen natürlich die Frage auf, warum die Unterfinanzierungslücke im Agrarsektor so hoch ist und welche Schwierigkeiten Kreditnehmer besitzen, um an Finanzierungsmöglichkeiten zu kommen.
Gemäß einer weiteren Studie der Europäischen Investitionsbank (2019), hätten sich 2017 immerhin fast 30% aller agrarwirtschaftlichen Betriebe in der Europäischen Union um einen Kredit bemüht.
Hier ist die Top3 der von den Banken angegebenen Gründe, warum man keinen Kredit ausgestellt habe:
- Zu hohe Investitionsrisiken: 44,2%
- Bankenpolitik (Beschränkungen bei der Kreditvergabe an Landwirte): 27%
- Mangel an geeigneten unbeweglichen Sicherheiten (Grundstücke oder Gebäude): 16,9%
Auch auf Kreditnehmerseite scheint es eine gewisse Skepsis bei den Erfolgsaussichten einer Finanzierung zu geben. So haben allein 10% der Landwirte angegeben, dass sich diese aufgrund der Angst vor einer Ablehnung gar nicht erst für einen Kredit beworben haben.
Laut LendSecured liegt ein weiteres Problem darin, dass nur die Hälfte der landwirtschaftlichen Betriebe über eine vollwertige Buchhaltung (doppelte Buchführung) verfüge oder über einen fachkundigen Buchhalter. Auch das wird sicherlich ein Grund dafür sein, weshalb Banken die Kreditanträge gar nicht erst berücksichtigen.
Funktionsweise von Agrarkrediten bei LendSecured
Wie funktioniert die Kreditvergabe im Agrarsektor? Um das zu verdeutlichen habe ich hier eine Art „Roadmap“ vom Entwicklungszyklus der lettischen P2P Plattform LendSecured dargestellt.
Die Akquise
Die Zielgruppe von LendSecured sind kleine bis mittelgroße Farmbetriebe. Diese werden bei der Plattform anhand der Größe der landwirtschaftlichen Fläche definiert. In diesem Fall sind das 10 bis 50 Hektar (bis zu 500.000m²), was ca. 87% aller Farmbetriebe in Lettland abdeckt.
Um diese Kreditnehmer zu erreichen, schaltet lande.lv (die Kreditnehmer-Marke von LendSecured, die bald auch auf die Plattform übertragen wird) Werbung im Fernsehen, im Radio, in Zeitungen oder im Internet.
Die Due Diligence
Nachdem eine Kreditanfrage bei LendSecured eingegangen ist, folgt danach eine Überprüfung der Kreditfähigkeit. Dafür wird sowohl die finanzielle Situation des Kreditnehmers unter die Lupe genommen als auch die zur Verfügung stehenden Sicherheiten.
Bei der Bewertung werden folgende Kriterien berücksichtigt: Das geschätzte Produktionspotenzial (Ertrag pro Hektar), der Feldnutzungsgrad, die Rentabilität, der Cashflow oder aber auch die durchschnittliche Verkaufsdauer.
Mit der Kennziffer „Ertrag pro Hektar“ erhält man zum Beispiel Informationen über das Produktionspotenzial. Dieser Wert unterscheidet sich nach den angebauten Kulturen, den Regionen, in denen der Landwirt ansässig ist, und der Bewirtschaftungsart (biologisch oder konventionell).
Bei der Rentabilität wird hingegen der geschätzte Erntezeitpunkt berücksichtigt, da sich die Getreidepreise je nach Verkaufszeitpunkt ändern. Je später die Ernte verkauft werden kann, desto bessere Preise werden in der Regel erzielt. Deshalb wird bei LendSecured auch die durchschnittliche Verkaufsdauer berücksichtigt und ob der Landwirt die Möglichkeit hat die Ernte zu lagern, oder ob der Verkauf erfolgt, sobald die Ernte das Feld verlässt.